Deichkind-Konzert

Pause vom Seelenschmerz beim Deichkind-Konzert

„Marhaba, kifak?“ Das waren die ersten Worte, die ich Dienstagabend beim Deichkind-Konzert auf syrisch gelernt habe. Mit „Hallo, wie geht`s dir?“ war das Eis schnell gebrochen und ungefähr 30 junge Asylbewerber aus unterschiedlichen Ländern und wir ehrenamtlichen Helfer machten uns auf den Weg in die Brose Arena. Zur Vorstellung ihres neuen Albums „Niveau, weshalb, warum?“ setzte die Musiker-Truppe aus Hamburg ein Zeichen, indem sie Tickets für ihre Konzerte an Flüchtlinge verschenkt. Mit ihren blinkenden Pyramidenhüten, ironisch-humorvollen Texten und ihrem elektrolastigen Hip-Hop heizte die Band dem feierwütigen Publikum schnell ein. Schon wenige Minuten nach Konzertbeginn flossen die ersten Tränen. Ob vor Lachen oder Hitze, kann ich nicht mehr genau sagen! Unsere bunte, lustige Gruppe, der auch so einige Hip-Hop Fans aus unterschiedlichen Ländern angehörten, verlor sich in einem wilden Mix aus syrischem Salsa, amerikanischem Breakdance und typisch-deutschem Rumgehupfe. Zu Hits wie „Leider geil“ und „Like mich am Arsch“ bewiesen wir wieder, wie Musik erfolgreich Menschen aus verschiedenen Kulturen verbindet und zusammenschweißt, auch wenn die Texte nicht wirklich für den Deutschunterricht geeignet sind. Egal, wir haben jedes bereits erlernte und in den Musiktexten erkannte deutsche Wort gefeiert.

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Deichkind ist für ihre kunterbunte und exzessive Bühnenshow bekannt. Sie feiern mit selbstgemachten Kostümen aus Mülltüten, Schaumstoffrohren und neonfarbig geschminkten Gesichtern auf Hüpfburgen, Riesenfässern und Trampolinen. Die Stimmung in der Halle war am Überkochen, als die Jungs sich in einem Schlauchboot von der Menge tragen ließen. Nicht nur die Hip-Hop Fans aus unserer Gruppe, sondern auch alle anderen eingeladenen Flüchtlinge waren überrascht und begeistert, als Deichkind durch die Menge fuhr und ihre Botschaft zu lesen war: auf weißen Sweatshirts stand in großen Lettern „Refugees welcome“ geschrieben. Auch die Flagge mit der Aufschrift „No sexism, no racism“ erhielt von allen im Saal Jubel und Applaus.

Wir alle waren absolut begeistert von dem Abend und haben dann einige Wörter gesammelt, die in den Deutschkursen gelernt wurden: super, sehr schön, fantastisch, … In einem waren sich die vielen Asylbewerber auch einig: sie sind noch nie auf einem so großen und verrückten Konzert gewesen. Nach der Show, die an wilde Kindergeburtstage von nicht erwachsen werden wollenden Kindern erinnerte, fragte ich die Jungs, die völlig von den Socken waren, was denn die arabische Schrift auf ihren Flaggen bedeutet, die bei „Krawall und Remmidemmi“ in einem atemberaubenden Bühnenbild geschwenkt wurde. Sie erklärten mir, dass sich die Band nicht etwa, wie von mir erwartet love and peace, sondern ganz einfach Stuhl und Tisch auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Erst war ich verwundert, doch dann musste ich schmunzeln, denn das ist genau die Art, die ich mag! Nach zwei Stunden Randale und Action auf der Bühne war die Message von Deichkind neben ihrer atemberaubenden Performance und den mitreißenden Songs auf jeden Fall angekommen: sich den Spaß in einer so dramatischen Zeit mit Konflikten, die die Welt in Atem hält, nicht nehmen zu lassen!

Lena Steinbüchel

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