Abendessen während des Ramadan

Unter Freunden

Abendessen während des RamadanGeorgiana und Rudi engagieren sich im Arbeitskreis Patenschaft von „Freund statt Fremd“. Mit dem jungen Syrer Hamki verbindet sie mittlerweile eine echte Freundschaft, in der beide Seiten voneinander lernen.

Hamki hat Post vom Amt bekommen. Allerdings ist er unsicher, was die Behörde von ihm verlangt. Deshalb reicht er den Brief an Georgiana und Rudi weiter. „Könnt ihr euch das mal ansehen?“ Die drei sitzen auf dem Balkon des Ehepaares in bequemen Gartenmöbeln, jeder ein großes Glas Wasser in der Hand. Bamberg erlebt einen der wenigen wirklich heißen Tage dieses Sommers. „Ach, es geht um die Wohnung!“ Bis vor wenigen Tagen lebte Hamki in der Asylunterkunft Geisfelder Straße. Nun kann er endlich eine eigene kleine Wohnung beziehen. Georgiana und Rudi haben ihn beim Umzug tatkräftig unterstützt. „Das ist ein wichtiger Schritt für Hamki“, erklärt sein Pate. „Privatsphäre war für ihn in den letzten Monaten ein Fremdwort.“ Ein Jahr lang musste der junge Syrer mit vier anderen Männern in einem kleinen Zimmer schlafen. Seine Erleichterung über die neue Situation ist ihm deutlich anzusehen: „Es ist schön, einfach mal die Tür schließen zu können.“ Damit nun auch alle Formalitäten geklärt werden, helfen ihm seine Paten bei der Bewältigung der Bürokratie. Wo Hamkis Deutsch nicht ausreicht, wechselt die Unterhaltung ganz selbstverständlich ins Englische. Hin und wieder wirft Hamki auch ein paar Brocken Russisch ein.

Von Aleppo nach Bamberg

Dass er einst in einer Asylunterkunft leben müsste, das hätte der Neunundzwanzigjährige noch vor wenigen Jahren für völlig unmöglich gehalten. Hamki hatte große Pläne. Und eine vielversprechende Zukunft. Der junge Mann aus der Nähe von Aleppo absolvierte sein Studium der Medizin in Russland. Anschließend wollte er in seiner Heimat Syrien als Arzt arbeiten. Doch dazu kam es nicht mehr: Kurz nach seiner Rückkehr verschärfte sich die Lage in dem Bürgerkriegsland so sehr, dass Hamki sich zur Flucht entschloss. „Wäre ich geblieben, hätte ich in Assads Armee dienen müssen.“ Zu seiner Flucht befragt, senkt er den Blick und rutscht unruhig auf dem Stuhl hin und her. Schließlich erklärt er mit brüchiger Stimme, dass er ein ganzes Jahr lang in der Türkei festsaß, ehe er im Sommer 2015 nach Deutschland aufbrechen konnte. „Über die Balkanroute“, ergänzt Rudi. „Wie so viele.“

Es waren die Bilder jener Flüchtlingsströme, die im Herbst 2015 bei Georgiana und Rudi einen Entschluss reifen ließen. „Wir haben verstanden, dass wir etwas tun müssen“, erinnern sich die beiden. „Deshalb haben wir ein Informationstreffen von Freund statt Fremd besucht. Schließlich sind wir dem Verein auch beigetreten.“ Schnell stand fest, dass sie als Flüchtlingspaten mehr als geeignet waren. Ziel des Patenschafts-Projekts ist es, soziale Beziehungen zwischen Flüchtlingen und Bambergern aufzubauen. „Englischkenntnisse sind dabei natürlich von Vorteil. Georgiana ist Amerikanistin und ich bin Halbbrite, von daher ist das für uns kein Problem. Wir wissen aber auch von anderen Patenschaften, die kein Englisch können. Die verständigen sich dann eben mit Händen und Füßen. Das geht selbstverständlich auch “, wie Rudi schmunzelnd anmerkt. Während Familien für gewöhnlich schnell einen Paten finden, müssen junge Männer oft lange warten. Umso besser also, dass sich Hamki und das Ehepaar auf Anhieb gut verstanden haben. „Unser erstes Treffen fand noch in Begleitung einer Koordinatorin statt. Seitdem organisieren wir alles selbst.“ Und das geschieht ganz ungezwungen – zwischen dem jungen Syrer und seinen Paten herrscht absolute Offenheit. „Wir sehen uns meist am Sonntag. Wenn aber mal jemand müde ist oder gerade viel zu tun hat, dann sagen wir uns das auch.“ „Obwohl“, ergänzt Georgiana, „wenn wir uns ein paar Wochen nicht sehen, vermissen wir ihn schon.”

Auf dem Weihnachtsmarkt in Bamberg
Auf dem Weihnachtsmarkt in Bamberg

„Wir lernen voneinander“

Zwischen den Treffen halten die drei über Facebook Kontakt. „Das ist gut, wenn ich einmal eine Frage habe“, meint Hamki. Überhaupt haben ihm Georgiana und Rudi sehr dabei geholfen, sich im deutschen Alltag besser zurechtzufinden. Vom Amtsdeutsch über Arztbesuche bis hin zu logistischen Fragen sind sie für ihn wichtige Ansprechpartner. „In erster Linie verbringen wir aber einfach eine entspannte Zeit miteinander. Wir gehen spazieren, sehen Fußball oder sitzen wie jetzt gemütlich auf dem Balkon.“ Doch auch besondere Anlässe begehen die drei gerne gemeinsam. So war Hamki an Heiligabend bei seinen Paten eingeladen. Im Gegenzug durften Georgiana und Rudi dann anlässlich des Fastenbrechens ein köstliches syrisches Essen in der Asylunterkunft genießen. „Nicht nur Hamki lernt von uns, wir lernen voneinander.“ Alle drei sind sich einig: „Aus unserer Bekanntschaft ist mittlerweile eine Freundschaft geworden.“

„Durch Hamki engagiere ich mich nun auch in meiner Lehre verstärkt für die Themen Migration und Flucht,” sagt Georgiana, die als Dozentin an der Uni arbeitet. Die Patenschaft ermöglicht einen intensiven Austausch, der über die Paten selbst hinausgeht. „Hamki hat zum Beispiel eine in Moskau und Israel aufgewachsene Studentin von mir kennengelernt, mit der er sich auf Russisch unterhalten kann.” Oft haben die Paten Hamki in seiner Unterkunft besucht und dabei andere Flüchtlinge getroffen, vor allem eine Kindergruppe aus Irak, Syrien und Kosovo, die das Patenpaar trotz des Umzugs Hamkis weiterhin besuchen möchte. Die Freundschaft mit Georgiana und Rudi unterstützt den jungen Mann nicht zuletzt beim Deutschlernen. Immer öfter verfasst der Syrer seine digitalen Mitteilungen auf Deutsch. „Auch, wenn der Spracherwerb nicht im Zentrum der Patenschaft steht“, wie Rudi betont. Aussprache und Grammatik werden Hamki vor allem während seines Integrationskurses vermittelt. „Aber wir helfen ihm natürlich dabei, sein großes Ziel zu erreichen.“ Sein großes Ziel – das bedeutet, sich so gut zu integrieren und Deutsch zu sprechen, dass er die praktische Ausbildung im Krankenhaus antreten kann. Sobald er diese absolviert hat, darf Hamki als Arzt praktizieren. Endlich.

 Katharina Stahl

Info:

“Freund statt Fremd” sucht weitere Paten (einzeln oder gemeinsam) für Geflüchtete in der Region Bamberg. Mehr zum Arbeitskreis Patenschaft unter: www.freundstattfremd.de/arbeitskreis-patenschaften. Kontakt: patenschaft@freundstattfremd.de