Freund statt fremd Logo

Stellungnahme zum AEO-„Faktencheck“ der Regierung Oberfranken / PM vom 22.09.2016

Erwiderung von „Freund statt fremd“ auf den „Faktencheck“ der Regierung Oberfranken zur Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) in Bamberg. 

Der Faktencheck der Regierung Oberfranken unter: www.regierung.oberfranken.bayern-de/buerger­_und_staat

Auf unsere wiederholte Kritik an Missständen in der bisherigen Bamberger ARE II, der jetzigen AEO entgegnet die Regierung Oberfranken neuerdings gerne mit dem Verweis auf ihren o.g. Faktencheck. In diesem hat die Regierung mehrere unserer Feststellungen als falsch bewertet und die in Fragen formulierten Kritikpunkte („Stimmt es, dass…“) alle mit „Nein, das ist falsch“ beantwortet. Wir bleiben dabei, dass unsere Tatsachen zu allen Fragen ein „Ja“ begründen.

  1. Stimmt es, dass die Kinder in der AEO keinen Schulunterricht erhalten?

Regierung: Nein.

Wir sagen ja, das stimmte, denn der bis zu den Sommerferien angebotene Unterricht hatte bei allem Respekt vor dem Engagement der Lehrkräfte mit einem Schulunterricht nach dem Maßstab des Bayerischen Schulgesetzes nichts zu tun. Jedes Schulkind konnte in einer von drei Altersgruppen drei Mal wöchentlich an je drei Stunden teilnehmen. Es gab vor allem keinen Deutschunterricht und kein professionell erarbeitetes Curriculum. Durch die Einweisung in die Einrichtung aus den staatlichen Schulen heraus war in einzelnen Fällen nicht einmal mehr ein Schulabschluss möglich.

Es bleibt zu evaluieren, wie der soeben angelaufene Unterricht im neuen Schuljahr in der AEO betrieben wird sowohl für Grund- und Hauptschule und für Berufsschulen, vor allem welche Zusatzausbildung in interkultureller Kompetenz und in Deutsch als Fremdsprache die Lehrkräfte mitbringen, wie den großen Bildungs- und Sprachunterschieden in den Altersgruppen begegnet und wie für die Erledigung von Hausaufgaben gesorgt wird (was in den Wohnungen nicht möglich ist), auch wie den häufigen Traumatisierungen begegnet wird.

  1. Stimmt es, dass Abschiebungen mitten in der Nacht erfolgen und dabei Familien auseinandergerissen werden?

Regierung: Nein.

Wir sagen ja, das stimmt, denn

  1. wie die Regierung selbst bestätigt, finden Abschiebungen um 6 Uhr oder noch früher statt. Fakt ist, dass die abschiebebedrohten Bewohner nachts in ständiger Angst um ihren Schlaf gebracht werden, ob sie am frühen Morgen zu den Abgeschobenen gehören werden, denn der Zeitpunkt einer Abschiebung darf gesetzesgemäß nicht mehr im voraus mitgeteilt werden. Wir fragen uns, warum hier Menschen unnötig leiden müssen und insbesondere Kindern schockartige Erlebnisse am frühen Morgen nicht erspart werden können, indem man ihnen zumindest am Vorabend bedeutet ihre Sachen zu packen.
  2. Die Aussetzung der Abschiebung wegen Krankheit wird immer wieder trotz vorliegender ärztlicher Gutachten, – zum Teil von Unikliniken und sogar vom Amtsarzt! – konterkariert durch einen weiteren, von der ZAB hinzugezogenen Arzt, der die Reisefähigkeit nur aufgrund der Aktenlage (!) bescheinigt. Das vom Gesetz vorgesehene weitere Kriterium, ob eine Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands durch die Abschiebung zu erwarten ist, die eine Aussetzung begründet, wird nach unserer Einschätzung gesetzeswidrig außer Acht gelassen.
  3. Familien wurden auseinandergerissen, ohne dass es sich um einen Extremfall handelte. Zum Beispiel wurde eine eben 18 Jahre alt gewordene Tochter, die vor der Flucht im Kosovo bedroht war, allein dorthin abgeschoben mit dem Hinweis, dass das Gesetz unterscheide zwischen Erziehungs- und Begegnungsgemeinschaft und volljährige Kinder nicht zur „Familie im engeren Sinn“ gehörten. Es stünde unseres Erachtens der Politik, die gerade in Bayern den Schutz der Familie so hoch hält, gut an, wenn sie besonders in herausragenden humanitären Einzelfällen zeigen würde, dass es ihr damit ernst ist.

 

  1. Stimmt es, dass Bewohner der AEO isoliert und gesellschaftlich ausgegrenzt werden? Regierung: Nein.

Wir sagen, ja, das stimmt, denn

entgegen der Behauptung der Regierung, die Bewohner hätten alle Rechte, die einem Menschen in unserem Rechtsstaat zustehen, gelten folgende Tatsachen:

  • Es steht den Asylsuchenden der AEO weder frei zu arbeiten, noch ihr Leben eigenverantwortlich zu organisieren, da sie weder finanzielle Mittel für Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung noch Kochmöglichkeiten haben und ihnen kein sozio-kulturelles Minimum zusteht.
  • Der Zugang zu Rechtsberatung durch einen Fachanwalt ist aufgrund fehlender finanzieller Mittel und fehlender Informationsmöglichkeiten extrem schwierig um nicht zu sagen unrealistisch, auch weil sich bisher in Bamberg kein solcher Fachanwalt findet oder bisher ein Anwalt bereit wäre sich in die Materie einzuarbeiten und Mandanten zu übernehmen.
  • Bereits bestehende Kontakte in Schule und Freundeskreis oder z.B. zu Sportvereinen werden unterbunden, indem die ZAB keine Genehmigung zum Training in einem Sportverein der Umgebung gibt.
  • In einer ghettoähnlichen Unterbringung wie der AEO sind Kontakte zu Einheimischen praktisch unmöglich durch fehlende unmittelbare Nachbarschaft, ohne Zugang zu öffentlichen Kindertagesstätten und Schulen, und natürlich ohne Ausbildungs- und Arbeitsplätze.

 

  1. Stimmt es, dass die Bewohner der AEO medizinisch unzureichend versorgt werden? Regierung: Nein.

Wir sagen ja, das stimmt, denn

die medizinische Ambulanz innerhalb der AEO ist tagsüber nur von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 16 Uhr mit Ärzten besetzt. Außerhalb dieser Zeiten, also nachts, an Wochenenden sowie an Feiertagen liegt es im Ermessen des einzelnen Arztes des Bereitschaftsdienstes, ob er in Krankheitsfällen Besuche in der AEO macht oder nicht. Gleiches gilt auch für den Bereich der ärztlichen Versorgung durch niedergelassene Ärzte, auch hier besteht für den Arzt kein vertraglich verpflichtendes Versorgungsverhältnis wie es zum Beispiel bei Kassenpatienten üblich ist. Deshalb kann hier jeder Arzt entscheiden, ob er gewillt und in der Lage ist, die Versorgung von Bewohnern der AEO zu übernehmen oder nicht. Manche Ärzte sind bereits jenseits der Belastungsgrenze und behandeln grundsätzlich keine Geflüchteten aus der Einrichtung. Problematisch ist außerdem nach wie vor, dass sich in Krankheitsfällen die Bewohner in ihrer Not häufig an den Sicherheitsdienst wenden und dieser dann entscheiden soll, wie bei dem Kranken zu verfahren sei. Die Angestellten des Sicherheitsdienstes sind hierfür weder ausgebildet noch dürfte man ihnen diese Verantwortung übertragen. Es bedarf einer vom Ombudsteam bereits mehrfach geforderten Vereinbarung des Ministeriums mit der KVB, damit die medizinische Versorgung der Bewohner der AEO in vergleichbarer Weise gesichert ist wie die für alle anderen Bürger. Bei einer Belegung mit 1200 oder gar 4500 Menschen ist eine eigene ärztliche Versorgung rund um die Uhr notwendig, da die bereits jetzt voll ausgelasteten niedergelassenen Ärzte und der Bereitschaftsdienst diese zusätzliche Versorgung sicher nicht übernehmen könnten.

  1. Stimmt es, dass die Unterbringung in der AEO menschenunwürdig ist?

Regierung: Nein.

Wir sagen, diese ist  unnötig belastend und konfliktfördernd, denn

in den Wohnungen befanden sich in manchen Zeiten 16-17 Menschen auf 67 (!) qm. Die jetzige  Planung von maximal 14 Personen in einer Wohnung  bedeutet bei einem Aufenthalt von bis zu sechs Monaten eine räumliche Enge für Menschen, wenn sie einander teilweise völlig fremd sind, die zu Konflikten und Retraumatisierungen führen muss, insbesondere, weil sie keinerlei Beschäftigung haben. Der einzige Aufenthaltsraum jeder Wohnung z.B. reicht nicht dafür aus, dass sich alle gleichzeitig an einen einfachen Tisch setzen, Kinder haben keinen Raum zum Spielen und für Hausaufgaben. Gemeinschaftsräume und Betätigungsfelder mit entsprechender sozialer Betreuung sind daher dringend nötig, aber staatlicherseits nicht ausreichend vorgesehen. Die Verschließbarkeit von Zimmern und Wohnungen ist ein Grundbedürfnis für jegliche Privatsphäre, die jedem Menschen zusteht. (In Notfällen verfügt die Polizei, die ja auf dem Gelände ist, über jegliche Möglichkeiten eine versperrte Türe zu öffnen). In Deutschland ist es üblich, dass Wohnungen und Zimmer abschließbar sind, was durchaus die Feuerwehr im Alarmfall nicht abhält zu helfen.