Erste Bamberger Mahnwache Asyl am Gabelmann

„Solche Camps verursachen Probleme, sie lösen keine“

Erste Bamberger Mahnwache Asyl am Gabelmann

Am Montag, den 30. Oktober 2017, fand die erste Bamberger Mahnwache Asyl am Bamberger Gabelmann von 18 bis 18.30 Uhr statt. Sie knüpfte an die Reihe Keine Abschiebung nach Afghanistan an, die zuvor 35 Wochen in Folge, organisiert vom Netzwerk Bildung und Asyl, der Interreligiösen Fraueninitiative Bamberg und Freund statt Fremd e.V., immer montags am Gabelmann stattfand. In neuem Format finden die Mahnwachen ab sofort nur noch am letzten Montag des Monats statt. Zudem wird bei jeder Veranstaltung nun ein besonderer thematischer Schwerpunkt gesetzt. Im Fokus stand bei dieser ersten Mahnwache die Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (kurz AEO) und andere Transitzentren. Dazu nahmen Pfarrerin Mirjam Elsel, Koordinatorin für die Arbeit mit Flüchtlingen im Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirk Bamberg, zur allgemeinen Situation in der AEO Stellung. Katrin Rackerseder vom Bayerischen Flüchtlingsrat, die sich auch im Verein Freund statt Fremd e.V. engagiert, äußerte sich zu den umstrittenen Sozialleistungskürzungen in der AEO. Das musikalische Rahmenprogramm bildete der in der AEO lebende Geflüchtete Omid mit Keyboard und Gesang. Insgesamt nahmen mehr als 80 Menschen an der Mahnwache teil.

Den ersten Redebeitrag lieferte Mirjam Elsel. Sie kritisierte insbesondere die allgemeine Wohnsituation, den eingeschränkten Zugang zu Beratung und Unterstützung sowie die Bereitstellung von Leistungen der Bewohner der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken in Bamberg. Dort lebten 15 bis 20 Leute aus unterschiedlichen Ländern, Kulturkreisen und Religionen gemeinsam in einer Wohnung. „Dass ein solches Zusammenleben schon von sich aus schwierig und problematisch ist und auf längere Zeit nicht gut gehen kann, ich denke, das versteht sich von selbst!“ Die Bewohner der AEO, so Elsel, würden die Einrichtung „Camp“ nennen. Eines der Hauptprobleme sei der eingeschränkte Zugang zu Asylberatung, anwaltlicher Rechtsberatung und ehrenamtlichen Unterstützerkreisen. Dieser sei jedoch für ein faires Asylverfahren unbedingt notwendig. In Bamberg gebe es nur eine Anwaltskanzlei, die auf Asylrecht spezialisiert ist. Doch die Menschen im Camp seien relativ isoliert, und einen Anwalt in einer anderen Stadt zu suchen, sei für sie beinahe unmöglich. Dies hänge auch mit dem Taschengeld der Bewohner zusammen, das so weit wie möglich auf Sachleistungen reduziert werde. Beispielsweise würde die Mobilität der Bewohner durch einen eingerichteten Bus abgedeckt. Was erst einmal gut aussieht, entpuppt sich auf den zweiten Blick als problematisch: „Dafür gibt es eben keinen Bereich mehr im Taschengeld, der für Mobilität noch übrig ist. Das heißt, wenn ich einen Anwalt in Nürnberg habe, dann komm ich da schier nicht hin“, erklärte Elsel.

Darüber hinaus gebe es in diesem Camp nicht genügend Sprach- und Integrationskurse und es würden keine Ausbildungs- und Arbeitserlaubnisse erstellt. Die Beschulung sei ebenfalls nur provisorisch. „Und all das verhindert Integration“, fasste die Pfarrerin zusammen. Des Weiteren würden laut Elsel durch Zentren wie der AEO Ängste in der Bevölkerung wachsen, welche an den jüngsten Wahlergebnissen der Afd erkennbar seien. Doch unter den Bewohnern des Camps nehme die Angst ebenfalls zu.

„Die meisten klagen darüber, dass sie nachts nicht schlafen können“

Nächtliche Abschiebungen seien nicht unüblich, Alkohol und Drogen würden mehr und mehr zu einem Problem und die Angst vor Gewalt steige, „sodass die Leute, die dort sind, im Prinzip erneut traumatisiert werden“, mahnt Elsel. Anders würde sich die Situation in Einrichtungen wie zum Beispiel Heidelberg darstellen. Dort würden sich die Leute nur ein paar Wochen aufhalten und bereits während des laufenden Asylverfahrens in dezentral organisierte Einrichtungen verteilt werden. Doch in Zentren wie der AEO in Bamberg – mit Aufenthalten von bis zu einem Jahr oder länger – sei ein individuelles Asylverfahren nicht mehr möglich. Den Menschen würde jegliche Selbstbestimmung genommen und der spätere Aufbau eines neuen Lebens somit erheblich erschwert. Die Pfarrerin kritisierte, dass die Einrichtung die Situation von Asylsuchenden verschlechtere und die gesellschaftliche Haltung gegenüber Flüchtlingen negativ beeinflusse. Sie sei aus humanitären Gründen hochproblematisch und beschneide die Rechte der Asylsuchenden. Zudem sei sie wirtschaftlich unvernünftig. Doch was am wichtigsten scheint: Sie verhindere Integration. „Man muss nicht unbedingt Christ sein, um eine solche Praxis abzulehnen“, so Elsel.

„Niemandem darf das Geld gestrichen werden, weil er verschwinden soll“

Daran anknüpfend ging Katrin Rackerseder vom Bayerischen Flüchtlingsrat auf die Sozialleistungskürzungen in der AEO ein, die sie als „kompliziertes Thema“ beschrieb. Denn grundsätzlich stehe jedem, der sich in Deutschland aufhielte, ein Existenzminimum zu. In der AEO werde dieses durch ein Taschengeld in Höhe von 100 Euro abgedeckt. Doch dieses würden nicht alle bekommen. Rackerseder seien mehr als 100 Fälle bekannt, die überhaupt kein Bargeld erhielten. Das Sozialamt in Bamberg, welches für die Auszahlungen zuständig sei, habe sich auf Anfrage dazu geäußert und erklärt, dass denjenigen Geflüchteten, die nach dem Dublin-Verfahren behandelt werden, sowie auch anderen Fällen die Sozialleistungen gestrichen würden. „Das aber ist rechtswidrig“, stellte Rackerseder deutlich fest. Das gravierende daran: Nicht nur der Alltag der Bewohner der AEO sei erheblich eingeschränkt, auch könnten sie so ihren Anwalt nicht mehr bezahlen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei die Menschenwürde migrationspolitisch nicht relativierbar und niemandem dürfe das Geld gestrichen werden, weil er beispielsweise verschwinden soll. Rackerseder beendete ihre Stellungnahme mit einem Appell: „Wehrt euch, schaut genau hin, bleibt hartnäckig, glaubt nicht alles, was euch die Behörden erzählen, denn jeder und jede hat den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum!“

Mit dem abschließenden Vortrag der Mahnworte, welche unter anderem an die nach Afghanistan abgeschobenen Menschen erinnerten, sich aber auch an die Politik richteten und die politischen Akteure dazu aufforderte, sich ihrer Mitverantwortung zu stellen, wurde die erste Bamberger Mahnwache Asyl beendet. Einer der Schlussredner brachte die Botschaft der Mahnwache an diesem Montag so auf den Punkt: „Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht“ aber auch: „Wir stehen hier gemeinsam“.

Die nächste Bamberger Mahnwache Asyl findet am Montag, den 27.11.2017, statt. Dann allerding im Zelt der Religionen am Markusplatz. Am Gabelmann wird zu diesem Zeitpunkt bereits der Weihnachtsmarkt geöffnet haben.

Weiter Informationen zur Mahnwache auf der Facebookseite „Die Bamberger Mahnwachenseite“ oder unter https://www.facebook.com/Die.Bamberger.Mahnwachenseite/