Einblicke in Flüchtlingscamps im Libanon

Wohnen im Tell Abbas Camp: Zeltplanen und Wellblechkonstruktionen

Seit der Krieg in Syrien 2011 begann, sind laut UNHCR rund 5,5 Millionen Syrer auf der Flucht. In Deutschland stellen die Geflüchteten aus Syrien mit rund 700.000 die größte Gruppe unter den Schutzsuchenden dar. Die Hauptlast der Vertriebenen des Bürgerkriegs tragen jedoch die Nachbarländer Jordanien mit 1,3 Millionen und der Libanon mit 1,5 Millionen syrischen Geflüchteten. Religionslehrerein Maria Schweßinger bot bei einem Vortrag am 3. Februar 2018 Einblicke in die Situation im Libanon, dessen Präsident Michel Aoun jüngst mit den Worten „Mein Land kann das nicht mehr bewältigen“ Hilfe von anderen Ländern erbat, und in das libanesische Flüchtlingscamp Tell Abbas.

Ein Viertel Geflüchtete im Libanon

Die Schule im Tell Abbas Camp …

Schweßinger, die von 2011 bis 2014 im Libanon lebte und an der Johann-Ludwig-Schneller-Schule unterrichtete, merkt man sowohl ihre Liebe für das Land als auch ihre tiefe Betroffenheit angesichts der ausweglosen Situation an. Auf die Schule im nordlibanesischen Tell Abbas Camp, das von der Hilfsorganisation Relief & Reconciliation (R&R) betreut wird und ihr gut bekannt ist, war kurz vor ihrem Vortrag bei Freund statt fremd ein Brandanschlag verübt worden. Bei aller Hilfsbereitschaft, die in arabischen Ländern zur Kultur gehöre, seien Ressentiments an der Tagesordnung in dem Land, in dem Geflüchtete ein Viertel der Bevölkerung ausmachen, erzählt sie.

Überlastung und Fremdenfeindlichkeit

… wurde Ziel eines Brandanschlags.

Die Infrastruktur sei komplett überlastet, das Land kämpfe seit langem mit einer Müllkrise und habe Trinkwasserprobleme. Die Libanesen machen die Syrer mit dafür verantwortlich und fürchten um ihre Arbeitsplätze. Obwohl syrische Flüchtlinge im Libanon nicht arbeiten dürfen und vom Staat weder eine Unterkunft noch finanzielle Unterstützung bekommen, stellen sie auf dem Arbeitsmarkt eine Konkurrenz dar, denn sie sind in hohem Maße auf Schwarzarbeit angewiesen. Und auf die Versorgung durch Hilfsorganisationen, die sich um Nahrungsmittel und ärztliche Versorgung kümmern, oder, wie R&R, um die Integration in Schulen. In der Bekaa-Ebene gehen 40 Prozent der Kinder nicht zur Schule, erzählt Schweßinger, weil sie arbeiten müssen. 50.000 syrische Flüchtlingskinder seien gar nicht gemeldet.

Die Müllkrise ist in den Flüchtlingslagern besonders virulent.

Die Situation ist insgesamt schwer zu erfassen: Syrische Flüchtlinge leben über das ganze Land verteilt in städtischen und ländlichen Umgebungen an rund 2.125 Standorten. In der Bekaa-Hochebene, die auch als die Obst- und Gemüsekammer des Landes bezeichnet wird, leben mittlerweile 360.000, im Nordlibanon 250.000 Syrer.

Auf Die Hilfe internationaler Organisationen angewiesen

Hussein, syrischer Flüchtling ohne Dokumente

Ab April wird Schweßinger im Tell Abbas Camp arbeiten und mit dazu beitragen, dass die Lebensbedingungen der syrischen Geflüchteten im Libanon menschenwürdig und erträglich sind. Und sich um die Menschen kümmern, deren Einzelschicksale sie berühren. So erzählt sie zum Beispiel von Hussein, der sie bei ihrem Besuch im Dezember begleitete: Er war im Alter von 10 Jahren geflohen, hat im Libanon als Straßenkind gelebt, kam als Jugendlicher ins Gefängnis, wurde gefoltert und lebt jetzt in einem Heim für Strafentlassene als Staatenloser, weil er keine Dokumente besitzt.

Hilfe durch die internationale Organisation: Junge Männer beginnen eine Ausbildung zum Elektriker oder Klempner

Schweßinger ist der Libanon ein Anliegen: Sie wirbt aktiv dafür, internationale Hilfsorganisationen wie Relief & Reconciliation (R&R) zu unterstützen, weil die Situation der Geflüchteten ohne ihre Hilfe furchtbar wäre.

Text: Monica Fröhlich / Fotos: Maria Schweßinger