Begleitung im Behördendschungel

Kleiner Erlebnisbericht von der Sonder-Sprechstunde für afghanische Ortskräfte

Ungefähr 50 Menschen aus Afghanistan, die so genannten afghanischen Ortskräfte, werden von Bamberg zusätzlich aufgenommen, im Rahmen der Erklärung Bambergs zum „Sicheren Hafen“ (Städtebündnis).

Das hört sich prima an, ist es schon auch. Aber mit dem einfachen Wort „aufgenommen“ ist es halt leider nicht getan. Diese aus der lebensbedrohlichen Taliban-Diktatur geretteten Menschen sind hier in Sicherheit, werden aber nun in den unbarmherzigen Bürokratiedschungel unserer Republik entlassen.

Und der hält Unbilden bereit, noch und nöcher. Hinter jedem Busch lauert ein Antrag, hinter jedem Mauervorsprung ein Formular und hinter jeder Straßenecke eine Mitwirkungsaufforderung. Für diese des Deutschen und oft auch des Englischen unkundigen Menschen eine definitiv nicht zu bewältigende Herausforderung.

Hier kommen dann die eh schon überlasteten und unterbesetzten Migrationssozialdienste ins Spiel, und eben wir von Freund statt fremd e.V. Wir haben eine Sondersprechstunde am Samstag in der Blauen Frieda eingerichtet und drucken und füllen nun wöchentlich zu viert mit Übersetzungshilfe Anträge aus, tragen Nummern in Formularfelder ein und versuchen zu erklären, was wir da tun. Alles ehrenamtlich.

Vorbereitet wird diese Unterstützung von professioneller Seite (Caritas und AWO), aber so viele Stunden hätten die dortigen Sozialberaterinnen gar nicht in ihrer Arbeitswoche, um das alles bis ins Detail umzusetzen. Immerhin sind die städtischen Behörden (Jobcenter und Ausländerbehörde) diesmal zu Hifestellungen bereit, wie man sie bisher noch wenig kannte.

Denn die Verstrickungen sind groß. Um Unterstützungsleistungen vom Staat zu erhalten, braucht man selbstverständlich ein Konto, das aber bekommt man nur mit Steuer-ID und die kriegt man erst, wenn man von der Ausländerbehörde registriert ist. Dort muss man erst mal einen Termin bekommen. Auch für den Antrag auf Kindergeld oder Familiengeld braucht man die Steuer-ID und natürlich ein Konto. Aber bei der Bank ist erst mal ein Termin nötig, und den gibt es nur mit Steuer-ID. Die Einreisevisa laufen  bei den Leuten nach und nach aus, weil für sie ja eigentlich ordentliche Aufenthaltstitel bekommen sollen. Ohne so ein Papier wird aber von niemand nix gezahlt. Aber wohin auch, wenn eh kein Konto da ist….

Nach solchen Beratungen schwirrt mir immer der Kopf, auch wenn ich mit deutscher Bürokratiekultur in den Genen groß geworden bin. Wie muss es da Menschen ergehen, die aus der Fremde kommen und sich noch überhaupt nicht auskennen?

Und wenn so ein Beratungsnachmittag vorbei ist, tut es mir doch auch sehr leid, dass ich kaum die Menschen hinter den Antragsstapeln wahrgenommen habe. Ich weiß zwar jetzt, dass der eine Mann an der Uni Kabul in der Abteilung Film gelehrt und der andere Mann für die Bundeswehr gekocht hat, aber auch das nur, weil es für einen Antragsfeld zum Ausfüllen nötig war. Sonst habe ich nichts über die Menschen erfahren, einfach aus Mangel an Zeit und Nerven. Und mit den ebenso existenziellen Problemen wie Deutschlernen, Kindergarten oder Schule haben wir uns in der Sprechstunde noch gar nicht beschäftigen können. Integration ist schon echt ein harter und steiniger Weg.