Aus Mitbewohnern wurden Freunde. Die WG mit Amelie, Omar und Johanna (v.l.)

Wie aus Mitbewohnern Freunde wurden …

Aus Mitbewohnern wurden Freunde. Die WG mit Amelie, Omar und Johanna (v.l.)
Aus Mitbewohnern wurden Freunde: die WG mit Amelie, Omar und Johanna (v.l.)

„Im letzten Semester musste ich ein Referat über den Islam vorbereiten. Da war es natürlich super, einen Experten fragen zu können!“ Johanna boxt dem jungen Mann neben sich kameradschaftlich in die Schulter, was dieser mit einem breiten Grinsen erwidert. Der achtzehnjährige Omar wohnte bis vor Kurzem mit der jungen Frau und ihrer Freundin Amelie in einer WG. Ein Schüler, zwei Studentinnen – keinesfalls eine ungewöhnliche Konstellation. Dennoch wurde die kleine Wohngemeinschaft lange misstrauisch beäugt. Denn Omar kommt aus Syrien.

Neuanfang unter Vorbehalt

Omar war erst sechzehn, als er aus seiner Heimat nach Deutschland fliehen musste. „Meine Familie lebte in der Nähe von Aleppo. Dort konnten wir unmöglich bleiben.“ Vor eineinhalb Jahren machte er sich gemeinsam mit seinem Onkel auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer und die Balkanroute. Nach den Strapazen der Flucht in Deutschland anzukommen, fiel dem jungen Mann denkbar schwer. „Während der ersten sechs Monate habe ich in einem Heim gelebt. Danach war ich in einer Wohngruppe in der Region Bamberg untergebracht.“ Da Omar in Bamberg die Schule besucht, träumte er jedoch von einer Unterkunft in der Stadt – und von mehr Privatsphäre. Unterstützt wurde er in diesem Vorhaben von einer ehrenamtlichen Betreuerin. „Ohne Alina wäre es für Omar schwierig geworden, eine Wohnung zu finden“, bekräftigen Amelie und Johanna. Die junge Frau war es schließlich, welche Omar und die beiden Studentinnen miteinander bekannt machte. „Unsere Mitbewohnerin war sechs Monate lang im Ausland. Wir hatten also ein Zimmer zur Untermiete frei.“ Amelie und Johanna zögerten nicht lange. „Mit Omar haben wir uns auf Anhieb gut verstanden!“ Ihren Vermieter zu überzeugen war schon deutlich schwieriger. „Selbst nachdem sich Omar bei ihm vorgestellt hatte“ – Amelie nickt dem jungen Mann zu, der ihre Ausführungen mit einem stillen Lächeln verfolgt -, „hieß es noch, das könne niemals gutgehen.“  Mit einem solchen Ausmaß an Vorbehalten hatten die Studentinnen im Vorfeld nicht gerechnet. „Das pauschale Misstrauen gegen Omar war erschreckend.“

Die Tücken der Bürokratie

Die Unterzeichnung des Mietvertrags setzte den Problemen jedoch keinesfalls ein Ende. Im Gegenteil. „Ich erhielt von den Behörden unzählige, schwer zu verstehende Briefe. Und das manchmal so spät, dass ich kein Geld mehr bekam, weil Fristen nicht eingehalten wurden.“  In der Dreier-WG herrschte oft Frustration ob des alltäglichen Bürokratie-Wahnsinns. Die jungen Leute sind sich einig, dass die deutschen Behörden mehr Flexibilität beweisen müssen. „Unsere Gesellschaft erwartet von Flüchtlingen, sich möglichst schnell zu integrieren. In der Realität müssen sie aber oft monatelang auf ihre Unterlagen warten und leben in ständiger Unsicherheit.“ Johanna breitet ein wenig hilflos die Arme aus. „Wie sollen sie sich unter diesen Bedingungen in Deutschland einleben?“ Dabei stellt die kleine Wohngemeinschaft den absoluten Idealfall dar, wie Amelie hinzufügt: „Unmittelbarer kann Integration gar nicht funktionieren. Trotzdem wussten wir oft genug nicht weiter.“ Die bisher größte Herausforderung für die Dreier-WG: Ein Bankkonto für Omar einrichten. „Das war gar nicht so einfach. Sein Vorname steht nämlich auf einer Blacklist. Wegen potentieller Terror-Finanzierung.“ Die jungen Frauen sind sich sicher, den Behörden viel Arbeit abgenommen zu haben. „Omar musste nicht wegen jedes Verständnisproblems das Amt aufsuchen, er konnte zu uns kommen.“ Über den mangelnden Kooperationswillen der offiziellen Stellen ärgern sie sich deshalb umso mehr. „Wie muss es da erst einem Flüchtling gehen, der nicht von deutschen Freunden unterstützt wird?“

Aus Mitbewohnern wurden Freunde

Trotz aller Schwierigkeiten – das Fazit über das halbe Jahr WG-Leben fällt sehr eindeutig aus. „Es war eine gute Zeit! Omar hat manchmal seine syrischen Freunde mitgebracht, auch die Familie seines Onkels war schon bei uns. Wir haben uns in diesen sechs Monaten sehr gut kennengelernt. Heute sind wir enge Freunde.“ Highlight des WG-Lebens: Das gemeinsame Kochen. „Omar ist ein echter Feinschmecker“, lobt Johanna. „Seine Falafel schmecken fantastisch!“ Während des Essens wurde oft angeregt diskutiert – beide Seiten lernten viel über Kultur und Religion der jeweils anderen. Dass er die lebhafte Wohngemeinschaft im Herbst wieder verlassen musste, fiel dem jungen Mann sehr schwer. Zumal es schwierig war, eine Wohnung zu finden. „Natürlich ist die Lage auf dem Bamberger Wohnungsmarkt angespannt“, bemerkt Amelie. „Ein junger Syrer hat es aber besonders schwer.“ Wieder war es Alina, die engagierte Betreuerin, welche letztlich eine Unterkunft fand. „Sie hat wirklich alles gegeben, um den Vermieter von Omar zu überzeugen. Doch die wenigsten Flüchtlinge haben so viel Glück.“ Derzeit leben in der Region Bamberg siebzig junge Männer, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. „Wir würden uns wünschen, dass unsere Gesellschaft den Jungs eine echte Chance gibt.“

Nicht zuletzt dank seiner deutschen Freunde ist Omar in Bamberg angekommen. Auch einen Ausbildungsplatz hat er schon in Aussicht. Seine größte Hoffnung ist allerdings noch nicht in Erfüllung gegangen. „Mein Vater lebt und arbeitet mittlerweile in München, meine Mutter und meine Geschwister sind jedoch noch nicht in Deutschland.“ Dem Antrag auf Familiennachzug wurde bisher nicht stattgegeben. Dabei würde sich Omar sehr wünschen, wieder mit seiner Familie leben zu können.

Text und Bild: Katharina Stahl