Am 1. August ist aus der Bamberger Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) ein AnkER-Zentrum geworden. Der Koalitionsvertrag der Regierung wollte es so. Zusammen mit ca. 150 Mitstreitern bezog die Bamberger Mahnwache Asyl zum letzten Mal vor der Sommerpause dagegen Stellung und verlegte ihren Protest dafür eigens vom Gabelmann in Bambergs Osten, direkt vor die ehemalige AEO.
Vor der Kundgebung, die am Mittwochmorgen, den 1. August, um 10:30 Uhr begann, hatten die Organisatoren der Bamberger Mahnwache Asyl zahlreiche Fragen von Presse und Medien zu beantworten. Dabei stand eine Frage im Vordergrund: Was ändert sich für die Bewohner der AEO durch den neuen Namen „AnkER-Zentrum“ (AnkER = Ankunft, Entscheidung, Rückführung)?
„Möglichst viele Menschen wieder loswerden“
Während sich die Politik von der Konzentration Geflüchteter und asylrelevanter Behörden in sogenannten AnkER-Zentren eine Beschleunigung der Asylverfahren verspricht, an dessen Ende in den meisten Fällen die Abschiebung stehen soll, protestierte die Bamberger Mahnwache Asyl in verschiedenen Redebeiträgen zum wiederholten Male gegen diese inhumane Form der Asylbürokratie. „Es geht darum, dass hier ein Prozess zu Ende geführt wird, der das Ziel hat, möglichst viele Menschen wieder loszuwerden. Und das spüren die Menschen in solchen Zentren ganz genau“, sagte Pfarrerin Miriam Elsel, Mitorganisatorin der Bamberger Mahnwache Asyl, vor Medienvertretern. Konkret bemerkbar macht sich das z. B. durch einen stark limitierten Zugang zu Informationen oder möglichen Rechtsmitteln. Das bestätigt auch ein anonymer Bewohner des AnkER-Zentrums, der seinen Namen nicht nennen will. Unbestritten ist hingegen, dass sich auch die Organisatoren der Mahnwache durchaus für schnelle Asylverfahren aussprechen – allerdings wünscht man sich faire Verfahren, in denen den Geflüchteten alle rechtlichen Möglichkeiten eingeräumt werden.
Ob AEO oder AnkER-Zentrum: Lebensbedingungen bleiben schwierig
Ob AEO oder AnkER-Zentrum: Für die Bewohner hat sich auch nach der Umbenennung nichts geändert. Die Lebensbedingungen in der Einrichtung bleiben weiterhin schwierig. In ihrem Redebeitrag berichtete Dr. Ulrike Tontsch von Freund statt fremd von der nach wie vor kritischen Situation, „in der sich insbesondere die vielen Kinder befinden.“ Um ein Mindestmaß an pädagogischer Betreuung für die Kleinen zu ermöglichen, hat Freund statt fremd mit Erlaubnis der Regierung Oberfranken ein „Spielzimmer“ eingerichtet und das „Café Willkommen“ bietet erwachsenen Geflüchteten etwas Freiraum in einem freundlichen Umfeld.
Inhumane Wohnsituation führt zu Konflikten, Frustration und Gewalt
Das ist auch nötig. Denn viele der ca. 1.400 Bewohner sind von den Erlebnissen ihrer Flucht traumatisiert. „Viele haben deshalb psychische Probleme“, erzählt der anonyme Bewohner, der seit mehreren Monaten im AnkER-Zentrum lebt. Dort gibt es dafür weder ausreichend psychotherapeutische Angebote, noch erlauben die beengten Lebensbedingungen, in denen sich bis zu 16 einander fremde Personen eine Wohnung teilen, so gut wie keine Privatsphäre oder Rückzugsmöglichkeiten. Das führt unweigerlich zu Konflikten und zu Frustration. Die Gewaltbereitschaft steigt dadurch insbesondere bei den größtenteils jungen männlichen Bewohnern an – auch außerhalb des AnkER-Zentrums. Was bleibt, sind ehrenamtliche Initiativen wie Freund statt fremd, die in dieser angespannten Situation mit Integrationshilfe-Angeboten das zu kompensieren versuchen, was der Staat nicht leisten kann, will oder mag. Dazu gehören auch die Vermittlung juristischer Beratung oder ehrenamtliche Sprachkurse, die den Geflüchteten während der langwierigen Asylverfahren von offizieller Seite nicht gewährt werden.
Beschleunigung der Asylverfahren bleibt zweifelhaft
Ob durch die Konzentration von Asylbürokratie und Geflüchteten in Lagern wie dem AnkER-Zentrum in Bamberg die von der Regierung erhoffte Beschleunigung der Asylverfahren eintritt, ist höchst zweifelhaft. Das sieht übrigens auch Thomas Boese, Präsident des Verwaltungsgerichts Bayreuth, so. Er sagte im Bayerischen Fernsehen, dass aus der Konzentration aller erforderlichen Behörden in einem AnkER-Zentrum notwendigerweise keine schnelleren Verfahren folgen. Warum ist das so? Viele der von den BAMF-Außenstellen durchgeführten Asylverfahren landen vor Gericht. Über die letzten drei Jahre entstand aus diesem Grund ein Prozessrückstau. Medienberichte sprechen von mehreren hunderttausend Fällen. Wie lange deren Abarbeitung dauert, kann niemand genau sagen. Vor diesem Hintergrund von einer Beschleunigung der Asylverfahren in AnkER-Zentren zu sprechen, wirkt deshalb unschlüssig. Weiterer negativer Nebeneffekt: Während der Wartezeit auf eine Entscheidung werden die Betroffenen zur Untätigkeit gezwungen. „Das ist frustrierend und zermürbend“, erzählt der anonyme Bewohner des Bamberger AnkER-Zentrums. Deshalb seien ehrenamtliche Angebote so wichtig, sagt der junge Mann.
Die gute Nachricht für Geflüchtete: Die Chancen auf ein positives Urteil sind indes vielversprechend. Denn gut 40 % der Asylverfahren werden gegenwärtig – u. a. wegen Form- und Verfahrensfehlern – zu Gunsten der Geflüchteten entschieden. Der Haken freilich: Bis zur Entscheidung vergehen oft viele Monate. Diese Zeit müssen die Menschen ab sofort in den „neuen“ AnkER-Zentren verbringen.
Hinweis: Die Bamberger Mahnwache Asyl macht Sommerpause. Die nächste Mahnwache findet am 3. September 2018, um 18:30 Uhr, am Gabelmann statt.
Text und Fotos: Enno Jochen Zerbes