Wie sieht der Alltag in Massenunterkünften aus? Und welche Folgen ergeben sich daraus für die Psyche von Geflüchteten? Mit diesen Fragen setzte sich Milena Eichhorn, Pädagogikstudentin an der Universität Bamberg, in ihrer Bachelor-Arbeit auseinander. Am 4. November stellte sie die Ergebnisse ihrer Untersuchungen im Lui20 vor – und erlebte viel Zuspruch von Seiten ehrenamtlich Engagierter.
Seit 2016 ist Milena Eichhorn in der Arbeit mit Geflüchteten aktiv. Diese Erfahrungen motivierten sie dazu, sich auch auf wissenschaftlicher Ebene mit dem Thema Flucht auseinanderzusetzen. „Besonders interessierte mich die Situation der Geflüchteten in den Massenunterkünften – und die Auswirkungen der dortigen Lebensumstände auf ihre Traumatisierungen.“
Die beiden Schwerpunkte ihrer Analyse lagen dabei auf den Herkunftsstaaten Syrien und Nigeria. „Viele der Asylsuchenden waren bereits vor ihrer Flucht traumatisiert, durch Bombardements, Folter oder Angriffe islamistischer Terrorgruppen.“ Hinzu kommen auf der Flucht erworbene Traumata – während der Überfahrt über das Mittelmeer oder des Aufenthalts in libyschen Massenlagern, wo ein menschenwürdiges Leben schlicht nicht möglich ist: „Man verlässt Libyen nicht, ohne eine starke Traumatisierung davonzutragen.“
Auf das Trauma der Flucht folgt das Trauma der Massenunterbringung
Die Ankunft in Deutschland bedeutet aber keinesfalls ein Ende der Traumatisierungen, wie Eichhorn betont. Vielmehr führt die Unterbringung in Massenunterkünften wie dem Bamberger ANKER-Zentrum zu einer inneren und äußeren Destabilisierung, verstärkt durch die Isolierung und Marginalisierung der Geflüchteten. „Auch das Gefühl, von einem für sie intransparenten System abhängig und diesem letztlich ausgeliefert zu sein, kann sich in einer Re-Traumatisierung der Asylsuchenden äußern.“ Um diesen Teufelskreis aus immer neuen Traumatisierungen zu durchbrechen, schlägt Eichhorn eine Agenda gezielter Maßnahmen vor: So müssten die Geflüchteten nicht nur schneller Klarheit über ihren Status und gegebenenfalls Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, auch die Hygieneversorgung und das konsequente Vorgehen gegen Gewalt in den Massenunterkünften würden dazu beitragen, „dort so etwas wie Normalität herzustellen.“
Dezentrale Unterbringung als Lösung
Die ideale Lösung sieht Eichhorn allerdings in der dezentralen Unterbringung. Ein sicheres Umfeld und ein geregelter Tagesablauf würden den Geflüchteten die Möglichkeit geben, Erholung zu finden und ihre Traumata zu verarbeiten, statt sich auf diese zu fokussieren. Unverzichtbar in diesem Prozess sei dabei die Bereitstellung psychosozialer Hilfe. Im Rahmen der anschließenden Diskussion bestätigten zahlreiche ehrenamtlich Engagierte, unter anderem Mitglieder von „Freund statt Fremd“, die Analysen der Studentin – und äußerten ihren Wunsch nach entsprechende Konsequenzen von Seiten der Politik.
Text und Bilder: Katharina Stahl