Freund statt fremd Logo

Kriminalisierung von Flüchtlingen stoppen! ANKER-Zentren verhindern!

Bundesinnenminister Horst Seehofer plant – pünktlich zu den Bayerischen Landtagswahlen im
Herbst – im Rahmen eines ‚Masterplans für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen‘ bundesweit sogenannte ‚AnkER-Zentren‘ (Ankunfts- Entscheidungs- und Rückführungs-Zentren) einzurichten. Die Bamberger AEO (Aufnahmeeinrichtung Oberfranken) ist dabei als
ein ‚Pilot-AnkER-Zentrum‘ im Gespräch.

Schon im März 2018 haben Mitglieder von FREUND STATT FREMD e.V. (FSF) eine Stellungnahme des ‚Ombudsteams der Stadt Bamberg für die AEO‘ unterschrieben, in der vor der Einrichtung bzw. Ausweitung solcher Massenlagern gewarnt wird. Ein Merkmal der hochproblematischen Strukturen derartiger Einrichtungen ist die systematische Kriminalisierung von Flüchtlingen. FSF bezieht Stellung.

„Bamberg liegt vor München“

Laut polizeilicher Statistik ist die Kriminalität in Bamberg im Jahr 2017 erneut angestiegen und
liegt bezogen auf die Gesamtzahl der Bevölkerung sogar vor München. Die Spanne der in diesem
Zusammenhang erwähnten Delikte reicht dabei von Laden- bzw. Taschendiebstahl bis hin zu Einbrüchen, Körperverletzungen, Überfällen, sexuellen Übergriffen, Vergewaltigungen oder auch Mord.
Für die AEO bestätigt die Polizei, die Auswirkungen dieser Einrichtung seien speziell für den Bamberger Osten ‚spürbar‘. FSF möchte dazu Folgendes festhalten:

Für das Auftreten von kriminellem Verhalten gibt es keine Rechtfertigung, aber ausreichend Erklärungen.

„Freund statt fremd“ lehnt jegliche Form von Kriminalität ab. Für Vergehen wie Ladendiebstahl oder
sexuelle Übergriffe gibt es keine Rechtfertigung! Kein Mensch wird jedoch ‚kriminell geboren‘. Vielmehr sind es in der Regel soziale Rahmenbedingungen und Umgebungsfaktoren, die das Auftreten von Kriminalität begünstigen und bis zu einem gewissen Punkt sogar vorhersagbar machen.

Eine Vielzahl von soziologischen Studien belegen hier Zusammenhänge zwischen einer hohen
Kriminalitätsrate und dem Geschlecht (männlich), dem Alter (Jugendliche, junge Erwachsene), dem
sozialen Status (niedriges/kein Einkommen, prekäre Lebenssituation, Arbeitslosigkeit) oder einer
fehlenden gesellschaftlichen Teilhabe (mangelhafte Integration, nicht ausreichende Sprachkenntnisse, sozialer Ausschluss).
Verstärkt werden solche Faktoren in der Regel durch individuelle psychische Belastungen, wie
Gewalterfahrungen, posttraumatische Belastungsstörungen/Depression, (generalisierte) Angst oder eine – auch vor dem Hintergrund einer drohenden Abschiebung (‘Rückführung‘) – fehlende Lebensperspektive.

Hochproblematische strukturelle Merkmale der AEO

Die Unterbringung in der AEO weist strukturelle Merkmale auf, die Gewalt- und kriminelles Verhalten fördern.

  1. Demographische Merkmale
    In der AEO (allgemein unter Flüchtlingen) sind solche Bewohner deutlich überrepräsentiert, die ganz allgemein, auch im Bundesdurchschnitt, mit höherer Kriminalitätsrate verbunden sind, nämlich junge, männliche, mittellose Bewohner.
  2. Unterbringung auf engstem Raum, fehlende Privatsphäre
    In der AEO wird Flüchtlingen ein Raum von 6-7 qm pro Person zugebilligt. Zum Vergleich liegt der bayerische Durchschnitt bei etwa 45 qm pro Person. Dazu kommt eine Unterbringung ohne Privatsphäre, man lebt mit Fremden in der Wohnung, kann die Wohnung nicht abschließen, ist vor Übergriffen nicht geschützt. Diese Faktoren wirken sich besonders gravierend bei Flüchtlingen mit Trauma-Erfahrungen aus, also bei geschätzt mindestens 50% der Flüchtlinge. Bei solchem Lebenshintergrund ist die Bewältigung interaktioneller Probleme und die Frustrationstoleranz erheblich eingeschränkt, diese Flüchtlinge brauchen Rückzugsmöglichkeiten, wovon gerade die Unterbringungssituation in der AEO besonders wenig übrig lässt. Es ist nicht verwunderlich, dass es in dieser Situation vielfach zu Gewaltdurchbrüchen und entsprechenden Gesetzesverstößen kommt.
  3. Rückführungsperspektive und Rückführungsangst
    Der zentrale Zweck einer Einrichtung wie der AEO besteht in der möglichst schnellen Rückführung oder Abschiebung abgelehnter Flüchtlinge. Dies betrifft auch bei abgelehnten Asylbewerbern Menschen, die in ihren Herkunftsländern regelmäßig mit unausweichlicher Lebensbedrohung und/oder jeglicher fehlender Lebensperspektive konfrontiert waren. Die Flucht ist für sie der letzte, ein radikaler Versuch, dem zu entgehen. Die negative Aussicht der Rückführung stellt deshalb eine extreme Frustrierung dar, die sich mitunter auch in aggressivem Verhalten gegenüber anderen (aber auch in Form von Suizidversuchen!) entlädt. Die häufig angsteinflößenden Abschiebungsvorgänge, von denen sie regelmäßig Zeuge werden, verstärkt die Spirale von Angst und reaktiver Gewalt. In einer
    Einrichtung, deren zentraler Zweck in der Rückführung oder Abschiebung besteht, ist Gewaltverhalten gegen sich selbst und andere unvermeidlich vorprogrammiert und wird wissentlich in Kauf genommen.
  4. Entzug des sozioökonomischen Existenzminimums
    Einem nicht geringen Teil der Bewohner der AEO, nämlich “Dublin-Flüchtlingen”, wird unrechtmäßig das Taschengeld komplett gestrichen. Das fördert Eigentumsdelikte bei davon betroffenen Flüchtlingen, wenn sie keine andere Möglichkeit sehen, mit diesem Entzug des verfassungsmäßigen Grundrechts auf ein sozio-ökonomisches Existenzminimum umzugehen.

Fazit: Einrichtungen wie die AEO fördern kriminelles Verhalten

Eine Einrichtung wie die AEO in Bamberg, in der eine hohe Zahl von Menschen mit unterschiedlichsten erhöhten sozialen und psychischen Risiken für das Auftreten sozial abweichenden Verhaltens in einer Einrichtung unter schwierigsten Bedingungen zusammengefasst werden, schafft damit
Verhältnisse, die das Auftreten von kriminellem Verhalten fördern. Hier ist der Boden für höhere Kriminalität schon allein durch die strukturellen Merkmale der Einrichtung bereitet, auch wenn
die Tore der AEO für die dort lebenden Bewohner*innen offen sind, sie ein Dach über dem Kopf
haben und genug zu essen.
Eine Steigerung der Kriminalitätsrate in Bamberg-Ost durch die Anwesenheit der AEO ist damit
für niemanden eine Überraschung, weder für die Organisatoren der Einrichtung, die Bayerische
Landesregierung oder Herrn Seehofer. Ein gehäuftes Auftreten von Delikten im Bereich der AEO
(Häufung von Ladendiebstählen) war also schon bei der Schaffung dieses Massenlagers vorhersehbar, nicht aber weil es sich bei den Bewohnern um Flüchtlinge handelt, sondern weil dort überwiegend junge, arbeitslose, mittellose Männer in einer strukturell kriminalitätsfördernden Einrichtung untergebracht sind. Man stelle sich nur vor, eine ähnlich große Gruppe von jungen, arbeitslosen, mittellosen, deutschen Männern würde in einer solchen Einrichtung auf maximal sieben qm pro Person zusammenleben.

Nur wenige Flüchtlinge verhalten sich tatsächlich kriminell

Die Berichte der Polizei bestätigen aber auch: Auch in der AEO zeigen die wenigsten Flüchtlinge -trotz der widrigen Lebensbedingungen – ein sozial auffälliges Verhalten. Die meisten Menschen in
der AEO halten sich, so wie die Mehrheit der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland
auch, an die bestehenden Gesetze und wünschen sich nach schlimmen Kriegserfahrungen,
Verfolgung und Flucht vor allem Ruhe und Sicherheit.
Für die in der Statistik erfassten Eigentumsdelikte verantwortlich ist eine relativ geringe Zahl an
Flüchtlingen. Darüber hinaus zeigen sich Gewaltdelikte oft direkt innerhalb der AEO zwischen
unterschiedlichen Migrantengruppen.

Die Kriminalitätsstatistik muss im Lichte der Umstände betrachtet werden und darf nicht politisch instrumentalisiert werden, um Stimmung gegen Flüchtlinge/Ausländer zu machen

Aus den oben genannten Punkten wehren wir uns gegen eine unbedachte und flüchtlingsfeindliche Interpretation der Befunde und eine Instrumentalisierung der vorliegenden Kriminalitätsstatistiken durch fremdenfeindliche Parteien oder eine populistische, undifferenzierte Berichterstattung
in der Presse. Wer Menschen auf der Flucht unter Generalverdacht stellt, nutzt die schwierige
Situation von Flüchtlingen aus für populistische Hetze. Er schürt Ängste in der Bevölkerung
und provoziert ein Klima der Ablehnung und des Hasses!
Wir fordern daher von allen beteiligten Gruppen und Personen mehr Behutsamkeit in der Interpretation von Kriminalitätsstatistiken. Asylsuchende dürfen nicht zum Sündenbock für eine verfehlte Sozial- und Flüchtlingspolitik gemacht werden. Für den Anstieg der Kriminalitätsrate in
Bamberg-Ost sind vorrangig nicht die Flüchtlinge verantwortlich, sondern eine Einrichtung (AEO),
in der kriminelles Verhalten strukturell bedingt gefördert wird . Einen öffentlichen Diskurs, der versucht, rechts-populistisches Gedankengut wie „Flüchtlinge = kriminell“ durch Kriminalitätsstatistiken zu belegen, verurteilen wir zutiefst!

Quo vadis – AEO?

Als Flüchtlingshilfeverein sind uns die kriminalitätsfördernden strukturellen Merkmale der AEO tagtäglich gegenwärtig. Es stößt deshalb bei uns auf völliges Unverständnis, wenn diese Einrichtung
noch als „Vorzeigemodell für eine bundesrepublikanische Flüchtlingspolitik“ gehandelt wird.
Dies stellt die Weichen in die exakt verkehrte Richtung. Wir können davor nur warnen.
Die Probleme, die Ladeninhaber*innen in Bamberg-Ost mit Bewohner*innen der AEO jetzt schon
haben, nehmen wir ernst, genauso wie die Sorgen und Ängste der Anwohner. Auch wir haben große
Sorgen, dass das soziale Miteinander und das Zusammenleben in Bamberg-Ost aufgrund der
Größe und der Struktur der Einrichtung empfindlich gestört werden. Ob jedoch 20 Polizisten, die die
Landesregierung zusätzlich bereitstellen möchte, ausreichen, die Lage zu befrieden, solange weiterhin die AEO mit ihren strukturellen Problemen existiert, ist fraglich.

FSF möchte die Fragen, die rund um die AEO entstehen bzw. in der Vergangenheit entstanden
sind, daher sachlich, konstruktiv und lösungsorientiert angehen. Dabei steht vor allem folgende
Frage im Mittelpunkt:
Warum wird von Seiten des Bundes, aber auch der Bayerischen Landesregierung weiter an einem
Konzept der Abschreckung, der Abschottung und der Abschiebungen festgehalten, welches
nicht nur eine grundlegende soziale Integration von Flüchtlingen verhindert, sondern mit Hinsicht auf Kriminalität und sozial abweichendem Verhalten auch in hohem Maße strukturell bedingt
kriminalitätsfördernd ist?

Flüchtlingspolitik von Rechtsaußen

Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass die Gründe für den Fortbestand der AEO bzw. die
geplante Umwandlung in ein ‚AnkER-Zentrum‘ vor allem politische sind. Die Landtagswahlen in
Bayern stehen vor der Tür und – wie auch auf Bundesebene – sind die die etablierten Parteien davon
bedroht, Stimmen zu verlieren an Parteien, die Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen, Einwanderung verhindern wollen und im öffentlichen Diskurs immer wieder durch rassistische Äußerungen auffallen.

Die Einrichtung AEO soll und muss als ‚AnkER-Zentrum‘ weiterhin abschrecken! Damit nicht
zu viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Mit der Umwandlung der AEO in ein ‚AnkERZentrum‘, in dem es vor allem um ‚schnelle Rückführungen‘ gehen wird, wird sich diesbezüglich
sicher nichts ändern. Im Gegenteil: Die Situation wird sich eher verschärfen. Dieses Problem sieht
auch die Polizei, wenn sie sagt: „Die langfristige Präventionsarbeit gelingt bei AEO-Bewohnern
nicht, weil sie auf der Durchreise sind.“ (FT, 7.4.18)

Fazit: Kriminalitätsfördernde Strukturen in der AEO (und auch in den zukünftigen ‚AnkER-Zentren‘) werden von den politischen Entscheidungsträgern wenn nicht bewusst mit einkalkuliert, dann
zumindest billigend in Kauf genommen. Flüchtlinge, aber auch die Bewohner*innen Bambergs werden damit zum Spielball einer Politik, die sich weiter den Inhalten und Werten von populistischen Rechtsaußenparteien annähert. Denn ‚kriminelle Flüchtlinge‘ sind für Parteien, die
auf Wähler*innen aus dem rechten Spektrum spekulieren, immer wieder ein gewinnbringendes
Wahlkampfthema. Das ist Flüchtlingspolitik von Rechtsaußen!

Dezentrale Konzepte statt Massenunterbringungen!

Wir halten die Forderung nach dezentralen Konzepten der Flüchtlingsversorgung dagegen
(Wohnungen, kleine Wohnheime bis max. 20 Personen)! Normalitätsprinzip statt Abschottung. Soziale Integration statt Massenunterkunft. Quartiersmanagement statt Zentrale Aufnahmeeinrichtung.
Das Konversionsgelände in Bamberg bietet hier eine Vielzahl von Möglichkeiten: Viele bedürftige
Familien (Deutsche und Nicht-Deutsche) warten auf die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum,
Student*innen suchen zum Semesterbeginn verzweifelt eine Unterkunft. Alte Menschen, Familien
mit mehr als zwei Kindern, aber auch anerkannte Flüchtlinge müssen Bamberg verlassen, weil es
keinen angemessenen Wohnraum (mehr) gibt. Das schafft langfristig Unzufriedenheit in der Bevölkerung und treibt Rechtspopulisten die Wähler in die Arme.
Wir fordern daher die vollständige Auflösung der AEO und die Schaffung eines bunten, lebensfreundlichen Wohnquartiers, in dem Junge und Alte, Familien und Alleinstehende, Deutsche
und Nicht-Deutsche, Einheimische und Zugewanderte/Flüchtlinge, usw. in bezahlbaren Wohnungen
leben und in einem lebendigem Miteinander ein freundliches nachbarschaftliches Verhältnis pflegen
können. Am Anfang einer positiven Veränderung steht die Vision. Wir erwarten von unseren politischen Entscheidungsträgern in diesem Zusammenhang nichts anderes, als den vorherrschenden,
ausgrenzenden Diskurs zu beenden und gemeinsam mit der Bevölkerung die Vision eines friedlichen und freiheitlichen Zusammenlebens aller Menschen voranzubringen. Neue Wege entstehen oft, indem man sie (gemeinsam) geht!

[V.i.S.d.P. Martin Jansen, Heinrich Schwimmbeck]