AFGHANISTAN IST NIRGENDS SICHER – ABSCHIEBESTOPP JETZT!
Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer wie Afghanistan
UN-Berichten zufolge war 2016 das blutigste Jahr in Afghanistan – seit Beginn der Aufzeichnung (2009). Mindestens 11.418 Zivilisten wurden getötet oder verletzt, fast ein Drittel davon Kinder.
Allein die Opfer des IS-Terrors haben sich im vergangenen Jahr verzehnfacht. Die Regierung kontrollierte 2016 nach Berichten des Spezialinspekteurs des US-Senats für den Wiederaufbau in Afghanistan nur noch 57% des Staatsgebiets – 15% weniger als im Jahr zuvor. Das UN-Flüchtlingswerk erklärt, dass mehr als eine Million Afghanen 2016 aus umkämpften Gebieten innerhalb des Landes sowie aus dem Nachbarland Pakistan (aufgrund politischer Spannungen) vertrieben wurden und sich in Ballungsgebieten wie Kabul angesiedelt haben. Dadurch ist die Versorgungslage in den Großstädten katastrophal und unzählige Rückkehrer sind von Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Hunger und Armut lebensgefährlich bedroht. Hinzu kommt die dramatische Verschlechterung der Sicherheitslage in der als „sicher“ bezeichneten Hauptstadt Kabul, die immer häufiger zur Kulisse von tödlichen Taliban-Attentaten wird. Der bewaffnete Konflikt wandert durchs Land und macht vor keiner Region halt. Wo es heute „sicher“ scheint, herrscht morgen Krieg.
Verschiedene UN-Organisationen (UNAMA, UNHCR), ausgewiesene Afghanistan-Experten (Thomas Ruttig vom Afghan Analyst Network), die Menschenrechts- und Migrationsbeauftragten der Bundesregierung (Bärbel Kofler, Aydan Özoguz), zahlreiche Hilfsorganisationen (Human Rights Watch, Amnesty International, Pro Asyl) und Wohlfahrtsverbände (Paritätischer Wohlfahrtsverband), Kirchen (EKD, katholische Kirche) und führende Landespolitiker verschiedener Bundesländer (z. B. Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt) kommen alle zu dem gleichen Schluss: Die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan hat sich so dramatisch verschlechtert, dass eine Abschiebung aus menschenrechtlichen Erwägungen weder zumutbar noch rechtmäßig ist.
ABSCHIEBUNGEN IN KRIEGSGEBIETE SIND INHUMAN UND ILLEGAL!
Allgemein gilt: Kein Mensch darf in eine Region zurückgeschickt werden, in der sein Leben durch Krieg und Gewalt bedroht ist (§60 AufenthG). Trotzdem setzen sich die Bundesregierung und die Bayerische Landesregierung, über geltendes Recht und Menschenrechte hinweg, indem sie Abschiebungen in ein Land, in dem Leib und Leben täglich durch Gewalt, bürgerkriegsähnliche Zustände, terroristische Attentate und eine insgesamt unzureichende Versorgungssituation bedroht sind, durchführen. Die Bundesregierung hat am 15. Dezember 2016 damit begonnen, Flüchtlinge aus Afghanistan, die in Deutschland Schutz suchten, in Sammelflügen abzuschieben. Darunter waren am 23.01.17 auch mehrere gut integrierte junge Männer aus Bamberg. Einer von ihnen wurde bereits zwei Wochen später bei einem Anschlag auf das oberste Gericht im „sicheren“ Kabul verletzt. Dieser junge Mann war kurz davor in Bamberg eine Pflegeausbildung zu beginnen und wurde vom BFZ als bayernweites Vorbild für gelungene Integration gelobt.
Vielen Afghanen, die schon Deutsch gelernt und sich hier integriert haben, wird in Bayern zurzeit der Zugang zu Arbeit und Ausbildung verwehrt, damit sich ihr Aufenthaltsstatus nicht „verfestigt“. Die Bayerische Staatsregierung fordert Integration unter Androhung von Strafe und schließt gleichzeitig Afghanen von Sprachkursen und Ausbildungen aus, um sie später abschieben zu können. Integration von Menschen fordern, um anschließend ihre Abschiebung zu fördern – das passt nicht zusammen.
Es entsteht der Eindruck, dass hier bewusst ein Klima der Angst geschaffen wird, um freiwillige Ausreisen zu fördern. Dies hat nicht nur Integrationsarbeit behindernde Verunsicherung und Demotivation zur Folge, sondern erhöht den psychischen Druck auf die Schutzsuchenden soweit, dass sich leider immer mehr Betroffene versuchen das Leben zu nehmen. Diese gesamte Entwicklung stellt eine weitere Eskalationsstufe der Asylpolitik der Bundesregierung dar, die bereit scheint, aus innenpolitischen und wahltaktischen Gründen auf die Wahrung unserer humanitären Grundwerte zu verzichten.
INTEGRATION AUF BAYRISCH?!
Noch im Jahr 2016 wurde vor allem auf Druck der vom Fachkräftemangel betroffenen Wirtschaftsverbände hin, im Bund ein Integrationsgesetz verabschiedet, das den integrationswilligen Flüchtlingen für die Zeit der Ausbildung Schutz zusichert („Ausbildungsduldung“). Dieses Gesetz wird aber von der Bayerischen Landesregierung unterlaufen, die den jungen Afghanen aufgrund ihrer „unsicheren Bleibeperspektive“ verbietet Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisse einzugehen, da sich so ihr Status in Deutschland verfestigen würde. Dieser bayerische Sonderweg, einerseits Integration unter Androhung von Strafe zu fordern und dafür Mittel bereit zu stellen, und andererseits die integrationswilligen Afghanen von Sprachkursen und Ausbildungen auszuschließen, um sie später abschieben zu können, ist nicht nur für die Betroffenen selbst eine unverständliche Praxis. Diese Politik hat weitreichende Konsequenzen für die Integrationsarbeit im Allgemeinen, wie diese Stellungnahme von Lehrern und Betreuern aus Bamberg veranschaulicht:
Wenn Schüler aus Klassen verschwinden, ist das ein Grund zur Sorge.
Es ist eine kurzsichtige und herzlose Politik, die einige in Lebensgefahr versetzt, und viele in Angst -auch Flüchtlinge anderer Länder. Was hilft es, wenn Schüler aus Angst vor der Polizei nicht mehr in die Schule kommen? Was hilft es uns, wenn Schüler aus Angst vor Abschiebung untertauchen oder sich selbst Gewalt antun? Wir, die Flüchtlinge betreuen, ausbilden und unterrichten, erleben direkt die Auswirkungen dieser verfehlten Politik. Es hat ein Ausmaß angenommen, zu dem wir nicht länger schweigen können.
Auch die zahllosen ehrenamtlichen Unterstützer, die sich teilweise seit Jahren leidenschaftlich um die Integration der Ankommenden kümmern, sind schockiert und vor den Kopf gestoßen. Wenn junge Menschen, die jahrelang in Deutschland leben und sich in ihrer Schule, ihrem Betrieb und ihrem Verein zu Hause fühlen, auf einmal in ein ihnen oft fremd gewordenes, unsicheres Land abgeschoben werden, ist das in jedem einzelnen Fall eine menschliche Tragödie. Diese Entwicklung stellt eine weitere Eskalationsstufe der verschärften Asylpolitik der Bundesregierung dar, die bereit scheint, aus innenpolitischen und wahltaktischen Gründen auf die Wahrung unserer humanitären Grundwerte zu verzichten.
Wir wollen diese Entwicklung nicht tatenlos hinnehmen. Wir fordern daher:
- Den Stopp der Abschiebungen in lebensgefährliche Kriegs- und Krisengebiete und die
Anerkennung der unzumutbaren Gefährdungslage im gesamten Kriegsland Afghanistan. - Die Einhaltung von rechtsstaatlichen Verfahrensstandards sowie umfassende,
unvoreingenommene Einzelfallprüfungen und mehr Transparenz im Asylverfahren. - Eine Ausbildungs- und Arbeitsperspektive für die in Deutschland lebenden Menschen aus
dauerhaft unsicheren Kriegs- und Krisengebieten. - Keine Abschiebungen und Arbeitsverbote aus wahltaktischen Gründen und eine deutliche
Abgrenzung von rassistischen, ausländerfeindlichen Forderungen. - Eine Politik, die sich der eigenen Mitverantwortung für globale Fluchtbewegungen stellt und
Fluchtgründe wie Krieg, politische Verfolgung, Klimawandel usw. aktiv bekämpft.