Die kleine Zerin ist zehn Jahre alt und redet wie ein Wasserfall. „Zerin ist unsere Deutschkönigin“, sagt ihre Mutter Susan. Das kann ich bestätigen, denn sie redet wohl schneller als ich. „Ich möchte mal Lehrerin werden“, erzählt ihre neunjährige Schwester Rozin. Und dass sie Fußball spielt und Angst vor Ärzten hat. Die kleine Familie, bei der ich an diesem Nachmittag zu Besuch bin, hat sich ein gemütliches neues Zuhause in Bamberg-Gaustadt eingerichtet.
Kleine Gassen, alte Gebäude, viele verschiedene Menschen – so beschreibt Susan ihre Heimatstadt Aleppo. „Fast so wie Bamberg“, fällt ihr auf, und wir beide müssen lachen. „Hier ist jetzt meine Heimat“, sagt sie, „mein Mann arbeitet und Zerin und Rozin sind in der Schule.“ Und doch vermisst sie ihre Mutter und ihre Geschwister.„In Syrien habe ich eine große Familie“, erzählt sie.
In Syrien arbeitete Susan als Lehrerin in einer Grundschule. Sie liebt die Arbeit mit Kindern und würde gerne hier in Deutschland wieder in einer Schule oder einem Kindergarten arbeiten. Doch das scheint noch zu dauern. Erst muss sie den Deutschkurs beenden.
Adnan, Susans Mann, kam 2014 von Aleppo nach Deutschland. Seit April 2015 wohnt er in einer Mietwohnung in Bamberg-Gaustadt. Im September 2015 konnten Susan, Zerin und Rozin nachkommen. Adnan holte sie am Flughafen in Berlin ab. Fast zwei Jahre hatte er seine Familie nicht gesehen.
Familiennachzug: eine Notwendigkeit
Ob bei den Grünen, der SPD oder der CDU und CSU – das Thema Familiennachzug sorgt in der Politik für viele Diskussionen. Susan, Adnan, Zerin und Rozin zeigen, warum das Thema keine Diskussion mehr sein sollte, sondern der Familiennachzug eine Notwendigkeit. Als Adnan davon erzählt, wie er seine Familie abgeholt und mit nach Bamberg gebracht hat, ist sein Lächeln nicht mehr aus seinem Gesicht zu bekommen.
Zu Hause in Aleppo hatte Adnan seine eigene Schreinerei und beschäftige sieben Mitarbeiter. Als der Krieg ausbrach, floh die Familie in den Libanon. Dort arbeitete Adnan zwei Jahre als Schreiner, um Geld für die Flucht nach Europa zu verdienen. 2014 hatte er genug Geld zusammen, um über das Mittelmeer nach Algerien und Libyen zu gelangen. Über das Mittelmeer kam er nach Italien und schließlich nach Deutschland. Nach der Aufnahme in der Flüchtlingsunterkunft in Zapfendorf im November wurde er schon einen Monat später als Asylberechtigter anerkannt.
Die Wohnung, in der Adnan, Susan, Zerin und Rozin jetzt wohnen, ist gemütlich eingerichtet. Bevor seine Familie nach Bamberg kommen konnte, lebte Adnan ein halbes Jahr alleine dort. Als gelernter Schreiner konnte er jedes Zimmer für seine kleine Familie selber einrichten. Den Tisch, an dem ich sitze und mit der Familie Kuchen esse, hat Adnan selber gebaut. Auch den Schrank gegenüber, der aussieht wie neu gekauft, hat der 46-Jährige angefertigt.
Apothekerin oder Lehrerin
Für die beiden kleinen Mädchen ist die Schule ein großes Thema. Zerin erzählt aufgebracht, dass sie keine Noten bekommt, aber unbedingt auf das Gymnasium gehen möchte. Sie möchte mal Apothekerin oder Lehrerin werden, aber „das geht ohne Abitur nicht“. Ihre Lehrer finden Zerin und Rozin „voll nett“.
Die beiden Mädchen scheinen sehr ehrgeizig zu sein. Doch Probleme mit den Hausaufgaben haben sie trotzdem manchmal. Susan und Adnan können den Kindern kaum helfen, da Zerin und Rozin selbst besser Deutsch sprechen als ihre Eltern. Hausaufgabenhilfe kann sich die Familie nicht leisten. Somit kommt einmal die Woche eine ehrenamtliche Mitarbeiterin von Freund statt fremd zu der Familie, um Zerin und Rozin Nachhilfe zu geben.
Bald kann die Familie wieder ein ganz normales Leben führen, denn Adnan kann demnächst Vollzeit in einer Schreinerei arbeiten. Schon seit Juni 2016 arbeitet er Teilzeit dort. Da es in Syrien allerdings so etwas wie einen Gesellenbrief nicht gibt, muss er erstmal eine Prüfung ablegen. Danach wird er bezahlt wie jeder andere Schreiner in seiner Firma. Während er von seiner Zukunft in Bamberg erzählt, wirkt Adnan froh. Endlich kann er wieder arbeiten und Geld für seine Familie verdienen. „Bei der Arbeit bekomme ich sogar ein Auto“, erzählt er stolz mit einem Lächeln im Gesicht. Einen deutschen Führerschein hat er schon direkt nach seiner Ankunft gemacht.
Text: Luise Land / Fotos: Katharina Breinbauer