Zu Gast bei Familie Saleh – Einblick in eine Patenschaft

Familie Saleh und Waseem Antar mit ihrem Paten Georg Schlenk

Nour Saleh winkt ihre Tochter zu sich. Ein verschwörerisches Tuscheln, gefolgt von einem ernsten Nicken. Das Mädchen verschwindet kurz – um mit einem breiten Lächeln und einer Schüssel süßer Leckereien zurückzukehren. Doch so sehr die Freund statt Fremd-Reporterin die herzhaften Plätzchen genießt: Ganz wohl ist ihr nicht, dass in der Runde nur sie und Georg Schlenk, der Pate der Familie, den Naschereien zusprechen. Als Vater Ziyad Saleh ihre Unsicherheit bemerkt, winkt er jedoch beruhigend ab: „Es ist Ramadan! Wir essen erst wieder nach Einbruch der Dunkelheit.“ Und sein Freund Waseem Antar fügt hinzu: „Auch in Syrien haben wir diese Zeit mit unseren christlichen Freunden verbracht. Wir sind es gewohnt, den Leuten beim Essen zuzusehen. Also lass es dir schmecken.“

Die Krux mit der Wohnungssuche

Wahrscheinlich ist es gerade ihre Herzlichkeit, mit deren Hilfe es Familie Saleh gelang, ihre kleine Wohnung in ein freundliches Heim zu verwandeln. Gäste sind hier willkommen – dann rückt man auf dem schmalen Sofa eben etwas zusammen. Und doch ist offensichtlich, was auch Freund statt Fremd-Pate Georg Schlenk kritisiert: „Die beengte Unterkunft entspricht beileibe nicht den Bedürfnissen einer sechsköpfigen Familie.“ So schläft Tochter Joudy auf dem Sofa im Wohnzimmer und erledigt dort auch ihre Hausaufgaben. „Da ist es nicht immer einfach, sich zu konzentrieren“, berichtet das Mädchen, das in Bamberg die Grundschule besucht.

Ihre jüngere Schwester Jana wiederum hat eine Behinderung und braucht rund um die Uhr Pflege. „Ein Erziehungsbeistand unterstützt uns gut“, erklärt Vater Ziyad. In der kleinen Wohnung wird allerdings jeder Handgriff zur Herausforderung. So ist das kleine Badezimmer alles andere als behindertengerecht. „Jana zu duschen, ist jedes Mal ein Problem.“ Trotz dieser offenkundig prekären Situation hat die Familie keine neue Unterkunft in Aussicht. „Bei Stadtbau und anderen Baugenossenschaften fragen wir immer wieder vergeblich nach einer angemessenen Wohnungsgröße“, erläutert Georg Schlenk die Lage der Familie. „Und die private Suche ist schwierig. Die Ressentiments sind leider groß.“

Kenntnis der deutschen Bürokratie gefragt

Aber die Salehs sind weit davon entfernt, sich entmutigen zu lassen. „Georg unterstützt uns in unserem Alltag und ist uns eine große Hilfe“, fasst Ziyad das Verhältnis zu dem pensionierten Lehrer zusammen. „Oft gibt es Verständnisprobleme bei Unterlagen, dann kommen wir zu ihm.“ Seine Kenntnis der deutschen Bürokratie ist immer wieder gefragt: Gerade hat die Krankenkasse eine neue Sitzschale für Jana abgelehnt, Georg Schlenk will im Namen der Familie Widerspruch einlegen.

Kennengelernt haben sich Schlenk und der Familienvater im November 2015: „Damals war ich erst seit kurzem in Bamberg, noch ohne meine Frau und meine Kinder“, erinnert sich Ziyad Saleh. Mit seinem Neffen Mohammed Salem kam er zunächst alleine nach Deutschland. „Vor eineinhalb Jahren konnte ich dann Nour und die Kinder nachholen.“ Der bei Freund statt Fremd engagierte Pensionär übernahm die Patenschaft für die Familie und unterstützte die Salehs bei ihren ersten Schritten in der Fremde. Dabei hat er auch ein offenes Ohr für ihre Sorgen. Alle Sechs leiden darunter, dass Mohammeds Mutter nicht nach Deutschland einreisen darf. „Mein Antrag auf Asyl wurde später bearbeitet als der meines Onkels“, berichtet der Jugendliche. „Das könnte der Grund sein, warum ich nur subsidiären Schutz bekommen habe, also meine Mutter nicht nachholen durfte.“ Onkel und Tante behandeln den Schüler wie einen Sohn – doch seine Mutter fehlt ihm sehr. Wirklich reden möchte er über dieses Thema nicht, doch ist offensichtlich, wie groß nicht zuletzt seine Sorgen um sie sind.

Erst Deutsch, dann Oberfränkisch

Auch Waseem Antar wünscht sich bisweilen von den Behörden mehr Verständnis für die Belange der Flüchtlinge. „Dann würde auch die Integration leichter fallen“, ist er sich sicher. Der junge Mann, ebenfalls ein Schützling von Georg Schlenk, darf in Sachen Integration dabei geradezu als Musterbeispiel gelten. Nach einer aufreibenden Odyssee über München, Schweinfurt und Bad Neustadt ist er nun im wahrsten Sinne in Bamberg angekommen. „Zunächst war es mir wichtig, Deutsch zu lernen. Jetzt studiere ich Orientalistik und Anglistik an der Uni Bamberg.“ Abends arbeitet er als Barkeeper im Sand – eine Tätigkeit, die ihm sichtlich Spaß macht. „Ich kann mittlerweile ganz gut Oberfränkisch. Außerdem genieße ich die internationale Atmosphäre. Im Club treffen sich Bamberger, Studenten, Touristen – Menschen aus ganz verschiedenen Ländern und Kulturen.“ Dass die Domstadt auch andere Seiten hat, muss er aber auch immer wieder erfahren. „Wenn Leute herausfinden, dass ich aus Syrien komme, gehen sie oft auf Distanz oder fangen an zu pöbeln. Gerade dann ist die Sprache wichtig, um den eigenen Standpunkt vertreten zu können.“ Der Sechsundzwanzigjährige betont, wie dankbar er Deutschland ist: „Deshalb möchte ich auch meinen eigenen Lebensunterhalt verdienen. Ich will keine Last sein.“ Allerdings hat er eine klare Botschaft: „Niemand hat es verdient, wegen seiner Herkunft oder Religion vorverurteilt zu werden.“ Gerade wohnt ein syrischer Freund bei ihm: „Er hat in Bamberg eine Arbeitsstelle gefunden, aber keine Wohnung. Sein arabischer Name steht dem wohl im Weg.“

Georg Schlenk ist sich sicher: „Die Probleme werden sicher nicht kleiner, aber wir versuchen, sie Schritt für Schritt zu lösen.“ Ziyad paukt gerade für seinen Deutschkurs – damit kann der gelernte Vermesser die nötigen Zusatzqualifikationen erwerben, um wieder eine Stelle zu finden. Auch seine Frau Nour würde gerne Deutschunterricht nehmen. „Im Moment ist das aber schwierig, weil wir keinen Kita-Platz für unseren Sohn Obada finden.“ Allerdings kann sie von ihren Angehörigen lernen. Ihre Tochter Joudy geht gerne zur Schule und hat gute Noten. Als Georg Schlenk erklärt: „Ganz klar – sie geht bald aufs Gymnasium“, lächelt sie schüchtern, aber auch ganz schön stolz.

Text und Bild: Katharina Stahl


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