Wie man Algen auf Deutsch erklärt und Menschen auf der Flucht sich gegenseitig helfen
Die Tassen stehen auf der Theke in Reih und Glied, daneben Milch und Zucker. Gerti Bayer-Götz gießt dampfenden Kaffee in eine Thermoskanne. Gerade hat der Café-Betrieb in der „Blauen Frieda“ in der Schützenstraße begonnen – die Begegnungsstätte von „Freund statt fremd“.
Auf dem Programm steht: Sprachcafé, zwei Tische sind reserviert. Luai kommt aus dem Jemen und kann noch fast kein Deutsch, englisch dafür umso besser. Häufig hilft er anderen Geflüchteten bei Arztbesuchen, wo er zumindest Arabisch-Englisch übersetzen kann, berichtet er stolz. Weil er aber noch auf seinen Asylbescheid wartet und deshalb keinen Integrationskurs besuchen darf, kommt er zum Sprachcafé, um etwas Deutsch zu lernen. Hier trifft er die Studentin Marie Eichhorn, die gerade ein dreimonatiges Praktikum bei „Freund statt fremd“ absolviert, in der Hausaufgabenbetreuung, bei einem Kunstprojekt, beim Café Willkommen im Ankerzentrum und eben beim Sprachcafé, das spontan und ohne festen Lehrplan arbeitet.
Heute geht es um Essgewohnheiten. Marie, Luai und die anderen nehmen sich Bildtafeln und zeigen auf Pizza und Falafel, Schweinsbraten und Kartoffelsalat. Alle in der Runde besprechen, welches Gericht woher kommt, wie man es zubereitet, ob man dafür einen Topf oder einen Backofen braucht. Hände und Füße, Gestik und Mimik helfen mit. Es wird erklärt, dass in fränkische Klöße geröstete Brötchenwürfel gehören, wenn schon, denn schon. Als es um Algen für Sushi geht und bei einem so speziellen Wort dann doch mal der Translator auf dem Handy herhalten muss, versteht das Gerät nicht Alge, sondern Aldi und verursacht erst Stutzen und dann herzhaftes Gelächter.
Gerti Bayer-Götz, die einmal in der Woche den Café-Betrieb von 14 bis 17 Uhr mit schultert, kann sich heute zum Sprachcafé dazu gesellen. Sie ist seit 2015 eine Stütze des Vereins und engagiert auch in einem Kinderspielkreis. „Wir bemühen uns immer ums Miteinanderreden“, sagt sie und bringt damit ein Kernziel der „Blauen Frieda“ – Begegnung – wohl auf den Punkt.
Ortswechsel: Neuerbstraße, die Kleiderkammer des Vereins mit dem passenden Namen „Jacke wie Hose“. Es ist vier Uhr, heute waren schon 47 Leute hier und haben sich Kleidung geholt. Sie kamen aus Georgien, Syrien, Russland, Marokko, der Ukraine und aus Ghana, das besagt die sorgsam von einer ukrainischen Helferin geführte Liste. Nur eine bestimmte Anzahl von Leuten darf ins Haus und sich etwas aussuchen, die anderen müssen draußen warten, bis sie dran kommen. „Manchmal ist die Schlange ganz schön lang“, sagt Daniela Muschaweck. „Wenn wir an einem Nachmittag 100 Leute durchschleusen, ist das gar nicht so selten.“ Die meisten kommen aus dem Ankerzentrum und brauchen, wie sie sagt, „oft wirklich das Nötigste.“
Dass alles geordnet abläuft, dafür sorgen derzeit ungefähr 15 aktive Ehrenamtliche, wovon fünf Frauen aus der Ukraine kommen. Eine davon ist Nelia. Sie sitzt umgeben von Kartons auf einem Hocker und faltet Kindershirts und Strumpfhosen. Sie ist 60 Jahre alt und zusammen mit ihrer Tochter im Sommer nach Bamberg gekommen. Tochter Katja ist hochschwanger und erzählt lächelnd, dass ihr Baby Wladimir heißen soll. Es wird wohl in Bamberg geboren, fern der Heimat, bald ist es soweit. Die beiden helfen an drei Tagen in der Woche in der Kleiderkammer mit.
Die Zahl der Wartenden ist im Moment recht überschaubar. Nazrallah steht vor dem Haus. Der junge Mann aus Syrien passt auf den kleinen Adnah im Kinderwagen auf, dessen Mutter gerade Kinderkleidung besorgt. Nazrallah selbst hat nichts gefunden, leider. Er ist auf der Suche nach einer Hose, aber alles war ihm zu groß. Kleidung für junge Männer fehlt an allen Ecken und Enden, bestätigt Daniela Muschaweck die Organisatorin der Kleiderkammer. Für jede Spende ist sie dankbar. Gebraucht werden immer auch Bettwäsche und Handtücher, Schuhe für Männer, Frauen und Kinder, Taschen und Koffer. Neben der zentralen Spenden-Sammelstelle von „Bamberg hilft“ in der Lagarde-Posthalle kann man Kleidung auch in der Neuerbstraße 18 bei „Jacke wie Hose“ direkt abliefern: dienstags, donnerstags und freitags von 15 bis 17 Uhr, samstags von 10 bis 12 Uhr. „Am besten gegen Ende der Öffnungszeiten, wenn die Warteschlange vor dem Haus sich schon etwas gelichtet hat“, sagt Daniela Muschaweck und nimmt sich mit diesen Worten schon den nächsten Karton zum Sortieren vor.
Aktiv werden bei Freund statt fremd
Ehrenamtliche werden für vielerlei Einsätze gesucht: Café Blaue Frieda, Sprachcafé, Kleiderkammer, Fahrradwerkstatt, Café und Spielzimmer im Ankerzentrum, Beratungstätigkeiten, Patenschaften, Spieleabend u.v.m. Infos gibt es auf www.freundstattfremd.de.
Die Ehrenamtskoordinatorin Daniela Ofner informiert und vermittelt gerne die passende ehrenamtliche Tätigkeit. Man erreicht sie unter ehrenamt@freundstattfremd.de.